Vom Kirdorfer Feld auf den Oberbürgermeistersessel
Die Zeit bis zum Amtsantritt nutzt Wahlsieger Michael
Korwisi zur Apfelernte. Er möchte die politischen Gegensätze in der Stadt
entschärfen.
bie. BAD HOMBURG. Den Kaiser Wilhelm weiß Michael Korwisi zu
schätzen. Solange dieser sich neben Winterrambur, Ontario oder den Rheinischen
Glockenapfel gesellt, hat der Grünen-Politiker höchstens die freudige Erwartung
auf eine wohlschmeckende Ernte statt weltanschaulicher Bedenken. Den
Streuobstwiesen im Kirdorfer Feld, für die er vor vier Jahren eine Interessengemeinschaft
mitgegründet hatte, gehört Korwisis ganze Leidenschaft. Heute wird er als neuer
Bad Homburger Oberbürgermeister in sein Amt eingeführt. In den Tagen davor
wirkt er nicht so, als könne er den Einzug ins Rathaus kaum abwarten.
Stattdessen pflückt er noch einmal mit den anderen Vereinsmitgliedern Äpfel und
füllt damit reihenweise Säcke.
"In den nächsten sechs Jahren werde ich dafür wohl
leider viel weniger Zeit haben." Im weißen T-Shirt wie zwischen den
Apfelbäumen dürften die Bad Homburger ihren neuen Oberbürgermeister eher selten
sehen, denn die Würde des Amts wird ihm meist den Anzug abverlangen. Der ist
Korwisi allerdings genauso wenig fremd wie das Gefühl, als hauptamtlicher
Wahlbeamter für einen Teil der Verwaltung zuständig zu sein. Schließlich war er
von 2001 bis 2006 hauptamtlicher Stadtrat: "Ich kenne das Haus, die
Mitarbeiter und die Struktur." Nach seiner Wahl im Mai hatte der künftig
erste grüne Oberbürgermeister einer hessischen Stadt bundesweit Aufmerksamkeit
auf sich gezogen. Sich abstrakt der Führung einer Verwaltung zu stellen ist das
eine, es in Bad Homburg zu tun das andere. Deshalb legt Korwisi Wert darauf,
mit den Vorsitzenden aller Fraktionen in der von scharfen politischen
Gegensätzen geprägten Stadtverordnetenversammlung gesprochen zu haben.
"Auch CDU und FDP haben mir die Zusammenarbeit angeboten", sagt er
und bekundet, dasselbe zu wollen.
Während sich die von allen Seiten beschworene Änderung des
politischen Klimas noch bewähren muss, steht für Korwisi eine wesentliche Neuerung
schon fest. Wie zeitweise auch seine Vorgängerin Ursula Jungherr (CDU) will er
ehrenamtliche Stadträte mit Dezernaten betrauen. Dass er die Dezernate Soziales
und Kultur gerne an einen hauptamtlichen Bürgermeister abtreten würde, hatte er
schon direkt nach dem Wahlsonntag angekündigt. Da aber auch Korwisi inzwischen
nicht mehr daran glaubt, dass die seit Jahren vakante Stelle besetzt wird,
dürften diese zwei Aufgaben auf ehrenamtliche Magistratsmitglieder entfallen.
Außer der Arbeitsentlastung führt der künftige Oberbürgermeister die
"Einbindung möglichst vieler" als Argument für den Schritt an.
Korwisi will sich wie Jungherr um Finanzen und Personal kümmern, aber auch die
drei Bau-Fachbereiche zusammenführen. Damit wäre er wie seine Vorgängerin für
die Stadtplanung zuständig, aber auch für die Bauaufsicht sowie Bau und
Betrieb, die bisher vom hauptamtlichen Stadtrat Peter Vollrath-Kühne (FDP)
verantwortet werden. Bis zur nächsten Kommunalwahl im Jahr 2011 würden die
ehrenamtlichen Dezernenten vermutlich nötig sein, schätzt der Grünen-Politiker.
Denn solange die CDU auf einen Bürgermeister mit ihrem Parteibuch beharre, sei
keine Mehrheit dafür in der Stadtverordnetenversammlung in Sicht. SPD,
Bürgerliste Bad Homburg (BLB) und Grüne hätten in diesem Fall keinen Anlass,
die rechnerische Mehrheit der CDU angesichts der Abweichler in deren eigenen
Reihen in eine sichere zu verwandeln.
Die geplante Aufgabenverteilung bringt es mit sich, dass
sich Korwisi mit den Dezernenten zu einer weiteren wöchentlichen Runde neben
dem Magistrat treffen möchte. "Ich will niemanden mit Vorlagen
überraschen", kündigt der künftige Oberbürgermeister an. "Es ist mein
Wunsch, dass wir alle ein Team werden." Dennoch wird in der Politik die
Konfrontation nicht zu vermeiden sein. Anders als von der CDU/FDP-Mehrheit
beschlossen, hält Korwisi zum Beispiel den Neubau einer Sporthalle in
Ober-Eschbach für sinnvoller als einen Anbau an die alte Albin-Göhring-Halle.
Diese könne dann Parkplätzen weichen, während der Sportplatz ins Feld rücken müsse,
um der neuen Halle Platz zu machen. Auch wenn er zu den Kritikern der
sogenannten kleinen Lösung für das Louisencenter im alten Landratsamt gehörte,
will er dem Projekt keine Steine in den Weg legen. Die Parkplatzfrage
allerdings sei ungelöst. Eine Tiefgarage unter dem Kurhausgarten lehnt Korwisi
ab, und auch Parkmöglichkeiten unter dem Bahnhofsvorplatz seien für eine
Entlastung der Innenstadt zu weit entfernt.
Bis einschließlich heute um Mitternacht muss Korwisi sich
noch um alle Termine selbst kümmern. Von morgen an kann er auf professionelle
Unterstützung durch ein Vorzimmer rechnen. Im Rathaus arbeitet auch seine Frau
als Fachdienstleiterin im Fachbereich Soziales. Da er diesen abgeben wolle,
werde er nichts mit der direkten Dienstaufsicht zu tun haben, sagt Korwisi.
Dann schiebt er die Kappe hoch und genießt im Kirdorfer Feld noch einmal das,
was er womöglich häufiger vermissen wird: "Freiheit und gute Luft".
Text: F.A.Z., 17.09.2009, Nr. 216 / Seite 56